Zen + Ausrutscher + Alter

Ts,ts,ts, isch weiß et nisch, isch weiß et nisch!
Schaffe ich es, schaffe ich es nicht?

Nachdem ich nun seit Anfang Dezember so taff war und rauchen kategorisch abgelehnt habe, bin ich letzten Sonntag umgefallen und habe heimlich, versteckt zwischen abgestellten Autos, im Kalten hockend, eine Zigarette geraucht. LEEEECKER….

Ich war an dem Tag total frustriert, wegen mehrerer Sachen, ich meine, es waren 3 Dinge, die mir zusetzten, mir fallen aber nur noch zwei ein. Eigentlich war aber nichts neu und überraschend.

In letzter Zeit habe ich öfter mal die Champix-Tablette vergessen und ich habe so den Verdacht, dass mir ein Absetzen der Tablette auf’s Gemüt schlagen könnte. Jedenfalls nehme ich jetzt wieder regelmäßig eine Tablette mit 1 mg pro Tag. Allerdings geht mein Vorrat schon wieder zu Ende. Ich überlege, ob ich mir noch einmal Tabletten verschreiben lasse. Dann aber 0,5 mg pro Tablette. Es muss doch mal ein Ende haben mit dem Zeug.

Nachdem ich mir letzten Sommer schon einen Satz neue Hosen gekauft habe, sind die neuen Hosen auch wieder zu eng. Ich habe mehr Hunger, esse aber auch nur aus Lust am Essen und habe noch keine Linie für meine Ernährung gefunden. Es ist Winter, da kann ich die Speckrollen noch relativ entspannt sehen. 

Ich bin jetzt 53 Jahre alt und stelle fest, dass sich die Wahrnehmung meiner Person durch andere und auch meine Eigenwahrnehmung in letzter Zeit geändert hat.
Es ist mir nicht wirklich klar, warum und was sich genau geändert hat. Ich habe mich immer als Person gesehen, die eben, wie jeder andere auch, altert. Ich wurde zwar älter und ich merkte auch zunehmend, dass mich von einem jungen Menschen nicht einfach nur Jahreszahlen trennen, sondern ganz offensichtlich auch ein ganz anderes Lebensgefühl. Trotzdem war der Abstand fliessend und man gehörte der gleichen Gruppe an.

Und nun, auf einmal, habe ich den Eindruck, als hätte ich eine Linie überschritten und wäre in eine andere Gruppe gerutscht. Die Gruppe der Alten. Ich stehe ziemlich verdattert in der neuen Gruppe und frage mich, wie ich da hin gekommen bin und was ich tun kann, um aus dieser Gruppe wieder herauszukommen. Wenn auch nicht dauerhaft, so doch für die nächste Zeit.

Einen wesentlichen Anteil an diesem Eindruck hat meine berufliche Situation. In einer Branche arbeitend, die dem Untergang geweiht scheint, fragt sich jeder, wie lange es die Arbeitsplätze noch gibt und ob es bis zur Rente reicht. Man wird reduziert auf die Jahre zwischen dem jetzigen Tag und dem frühestmöglichen Rentenbeginn. „Musst du noch (arbeiten)?“ „Wie lange hast du denn noch?“ „Was ist denn mit Altersteilzeit?“ „Nimmst du die Abfindung?“ Und plötzlich ist man auch deshalb „unangenehm alt“, weil man einen gewissen finanziellen Status hat und nun mit jungen, gut ausgebildeten Menschen konkurriert, die bereit sind, für einen Hungerlohn zu arbeiten. Sie sind meist noch ohne finanzielle Verpflichtungen, ungebunden und froh, wenn sie die Chance haben, Berufserfahrung zu erwerben. Natürlich zeichne ich hier eine grobe Vereinfachung, aber tendenziell ist es so. Und ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll, wenn junge Hüpfer, die gestern noch als Auszubildende neben mir saßen, heute mit Visitenkarten spazieren gehen, die sie als „Manager“ ausweisen. 

Auch in meinem privaten Umfeld wird mir mein Alter immer wieder bewusst. Durch einen neuen Bebauungsplan für ein großes Gebiet wird es so kommen, dass jeder Baum und jeder Strauch, den ich im Moment mit einem Blick aus dem Fenster sehe, gerodet wird. Es sind viele Bäume, große Bäume, schöne Bäume. Auch mein eigener Garten wird verschwinden. Meinen Garten kann ich neu anlegen, aber bis da mal ein Baum einigermaßen groß ist, bin ich wirklich alt. Eine Hängematte zwischen zwei Bäume werde ich hier nicht mehr aufspannen. Die umliegende Gegend wird in einzelnen Parzellen verkauft und mit Ein- und Zweifamilienhäusern bebaut. Da schreibt der Bebauungsplan genau vor, ob und was für einen Baum man pflanzen darf. Kurzum, es wird hier unerfreulich.
Letzte Woche wurde das erste Stück Land gerodet.

Wenn ich nur mein eigenes Wohl im Sinn hätte, würde ich sofort wegziehen. Aber ich lebe ja in Beziehung mit anderen Menschen und da gilt es doch, die Wünsche und Bedürfnisse aller zu berücksichtigen.

Vor einigen Jahren habe ich ein MBSR-Training absolviert. Schon damals war das Rauchen ein Grund für mein Interesse an diesem Training. Es ist eine Methode zur achtsamkeitsbasierten Stressreduktion und beinhaltet ein bisschen Yoga, Meditation, Achtsamkeitsübungen und einen Bodyscan. Jon Kabat-Zinn hat die Methode in den USA an einer Klinik entwickelt. Ziel war es, Patienten den Umgang mit Schmerzen zu erleichtern. Mittlerweile boomt diese Methode auch in Europa und wird an jeder Ecke angeboten.

Seitdem bin ich auf der Suche nach einer Möglichkeit, regelmäßig, konfessionsunabhängig, in einer Gruppe, zu meditieren. Zuhause alleine meditiere ich phasenweise viel und dann wieder gar nicht. Und nun habe ich tatsächlich eine Zen-Meditationsgruppe gefunden. Sie hat sich neu gebildet und ich bin beim zweiten Treffen eingestiegen. Ich kann mit dem Fahrrad oder sogar zu Fuß hin und man trifft sich einmal in der Woche.
Ich war nun einmal dort, 1,5 Stunden dauert das Treffen. Wir treffen uns in einer Kapelle, von daher ist es ziemlich kalt dort und letzte Woche war ich anschließend völlig durchgefroren. Dieses Mal werde ich mich viel wärmer anziehen.
Die Meditation läuft so ab: schnelles Gehen, 20 Minuten sitzen, langsames Gehen, 20 Minuten sitzen, langsames Gehen, 20 Minuten sitzen. Es war wunderbar.

Zwischenbericht

Nun versuche ich ja schon seit über 6 Monaten, das Rauchen sein zu lassen. Wenn die rauchfreien Tage auch in der Minderheit sind, habe ich doch nie mehr als 4 Zigaretten pro Tag geraucht. Seit einem Monat jetzt wieder gar keine Zigarette.

Wenn ich mal eine Bilanz zum heutigen Tage ziehe, was sich verändert hat, dann sieht es so aus:

  • ein Alter von 53 Jahren und davon 36 Jahre rauchen lassen sich nicht umkehren
  • ich huste jeden Tag, aber für meine Verhältnisse wenig. Ich könnte sogar das Husten unterdrücken und einen Hustenanfall habe ich gar nicht mehr. Ich habe kein Codein mehr genommen
  • ich bin leistungsfähiger, immer noch nicht so, wie ich es gerne hätte, aber da macht mir sicher das Champix einen Strich durch die Rechnung, denn ich bin viel und oft müde
  • ewig hatte ich ein geschwollenes Auge, immer rechts, manchmal auch links. Das ist ganz weg
  • ich habe fast gar keine Kopfschmerzen mehr
  • ich höre wieder Musik. Irgendwo habe ich gelesen, dass Musik die gleichen positiven Effekte auf das Gehirn hat wie Zigaretten.  Aber es war keine geplante Entscheidung sondern mir ist halt wieder nach Musik.
  • das sich Geruchs- und Geschmackssinn verbessern kann ich nicht bestätigen
  • ich habe mehrere Kilos zugenommen und einen neuen Satz Hosen, da bin ich nicht wirklich glücklich drüber, aber guter Dinge, dass ich das ein oder andere Kilo auch wieder los werde
  • endlich habe ich wieder soviel Zutrauen in meine eigene Leistungsfähigkeit, dass Pläne realistisch erscheinen
  • jeder weitere Tag ohne Zigaretten stärkt die neuen Verhaltensmuster, sollten meine beiden Hauptgedanken zum Rauchen auftauchen: a) jetzt gönne ich mir was und b) jetzt bin ich unbeobachtet, jetzt kann ich